Und noch mehr Neuigkeiten auf dem Blog – die liebe Katharina ergänzt die Rubrik „Lesenswert“ ab sofort um wertvolle Beiträge rund um das Thema Erziehung! Ich freu mich sehr – und wir starten mit dem Buch „Auf der Suche nach dem verlorenen Glück“ – ein Buch, das einem Mut macht, bedürfnisorientiert mit seinem Baby umzugehen, von Jean Liedloff.
Ich war mit unserem ersten Sohn in der 28. SSW und verzweifelte über den ganzen Ratgebern mit so griffigen Titeln wie “Babyquick-Finder” “Glückliche Babys” und “So machen sie es mit ihrem Baby richtig”. Ich wollte es mit unserem Baby auf jeden Fall richtig machen, keine Frage aber irgendwie reichten mir die praktischen Alltags-Tipps zum Thema wickeln, wiegen und waschen nicht aus. Was war mit den tieferen Gefühlen? Mit der Bindung? Mit der Angst vor dem was auf einen nach der Geburt niederprasselt oder das wohlmöglich ausbleibende Muttergefühl? Reichen meine Instinkte aus, um ein hilfloses und von mir völlig abhängiges Wesen zu versorgen?
Dann stieß ich auf das Buch der Amerikanerin Jean Liedloff, das zum ersten Mal 1980 erschienen und damit kein alter Hase, sondern viel mehr ein Klassiker ist.
Das Buch ist nicht zum durchstöbern geeignet, denn schon der Aufbau macht einem klar, dass man sich Stück für Stück durch das Buch durcharbeiten muss. Allen die jetzt abgeschreckt sind, versichere ich, dass aller Fleiß belohnt wird, denn dieses Buch geht in die Tiefe.
Mit ihrer einzigartigen Schreibweise nimmt Jean Liedloff den Leser in eine Welt mit, in der Durchschlafproblematiken, Stillprobleme und Unsicherheiten im alltäglichen Umgang mit Babys nicht vorhanden sind.
Für ihr Buch ist Jean Liedloff zweieinhalb Jahre in den Dschungel Venezuelas zu dem Stamm der indianischen Yequana gezogen. Ihr Ziel war es herauszufinden, warum die Menschen dort so glücklich und zufrieden sind. Schon nach kurzer Zeit stellte sie fest, dass das Geheimnis bei der Erziehung der Kinder des Stammes lag. Die Selbstverständlichkeit, mit der die jungen Mütter, mit ihren Säuglingen umgingen, die Tatsache, dass ihre Babys sie den ganzen Tag, bei allen Aufgaben, eng am Körper gebunden begleiteten und das Vertrauen, dass ihre Babys ein unfehlbares Wissen über die eigene Bedürfnisse haben, lässt ihnen keinen Raum für Zweifel. Denn die Stammesfrauen wissen, wenn sie aufmerksam sind, werden sie die Sprache ihrer Babys Tag für Tag mehr verstehen und ihre Bedürfnisse immer besser befriedigen können. Nicht nur das Baby wird größer, sondern auch die Mutter wächsttäglich mit.
Völlig fern ist den Mitgliedern des Stammes, dass das Baby eine Art “Feind” ist, den es zu besiegen gilt, nach dem Motto: „auf weinen wird nicht reagiert, damit das Baby früh lernt, wer das Sagen hat, das Baby hat sich den Bedürfnissen der Eltern (Schlafrhythmus, Essgewohnheiten, Trocken werden etc.)“ anzupassen, um nicht „verzogen“ zu werden.
Die indianischen Frauen denken genau anderes herum, sie sind der Meinung, dass ein Baby, wenn es sich ab dem ersten Atemzug angenommen und gesehen fühlt, ein Glück einatmet, dass es sein ganzes Leben begleiten wird.
“Alle Babys sind gut, können dies selber jedoch nur erfahren durch Wiederspieglung, durch die Art, wie sie behandelt werden”
Auch die Aussage, dass ein Baby “Arbeit macht”, ist für die Yequanas befremdlich, für die gewordene Mutter ist es selbstverständlich, dass ihr ganzen Leben einen anderen Rhythmusbekommt, sobald sie ein Kind geboren hat, sie gibt sich dem hin, hat kein zeitlich datiertes Wochenbett, ihre Arbeit verrichtet sie in einem anderen Tempo, ihrer Nächte sind auf das Baby ausgerichtet.
Und dennoch kommen die Bedürfnisse der Mutter nicht zu kurz, wenn beispielsweise ein nächtliches Fest im Gange ist, wird das umgebundene Baby beim Tanzen ziemlich durchgeschüttelt, es erlebt die tropische Hitze des Dschungels, wenn Zutaten für das Mittagessen besorgt und wenn die Mutter nachts für Wärme sorgt und das Feuer schüren muss, klemmt sie sich ihr Baby zwischen Oberschenkel und Rippen.
Was ich damit sagen will ist, dass die Leichtigkeit in der Akzeptanz liegt, “Ich habe ein Baby, das braucht mich und deshalb versorge ich es, sein Dasein ist Grund genug, um ihm meine Liebe zu versichern”, ich denke, dass nennt man bedingungslose Bejahung.
“Sie (die Mutter) setzt nicht ihren Willen gegen den des Kindes, sie schließen sich gemeinsam mit ihm aus, ohne ihm irgendein Urteil über sein Benehmen oder Missfallen über die Störung zu erkenne zu geben”.
Das bedeutet allerdings nicht, dass es nach dem Durchlesen des Buches keine Herausforderungen mehr mit der Geburt eines Säuglings gibt, keine schlaflosen Nächte, gefolgt von Tagen an denen man vor Müdigkeit nicht weiß wo oben oder unten ist und man oft nicht richtig zum Essen, geschweige denn zum duschen kommt. Das Buch gibt einem vor allem das Gefühl, sich dem Ausnahmezustand hinzugeben, es okay zu finden, dass alles durcheinander gewirbelt wird, vielleicht sogar froh darüber zu sein, dass gerade nicht alles planbar ist, zudem nicht mehr so streng mit sich selbst zu sein und sich viel mehr darüber zu freuen, dass es dem Baby gut geht, dass es keinen tatsächlichen Anlass zur Sorge gibt.
Ich habe das Buch nach der Geburt unseres zweiten Sohnes noch einmal zur Hand genommen, und mir liefen immer wieder die Tränen. Zum einen, weil ich mich darüber geärgert habe, dass ich, obwohl mich das Buch schon beim 1. Mal lesen mitten ins Herz getroffen hat, viele Dinge und Gefühle vergessen und anders gemacht habe und zum anderen, weil ich diese bedingungslose Liebe, die im Buch immer wieder beschrieben wird, für meine Kinder so stark spüren konnte.
Natürlich könnte man kritisieren, dass viele derbeschriebenen Möglichkeiten im täglichen Umgang mit Babys im Dschungel, in unserer modernen Welt schlecht umsetzbar und veraltet sind, beispielsweise, dass ausschließlich Frauen sich um die Kinder kümmern und die Männer jagen gehen usw.. Es geht jedoch nicht darum, einen eins zu eins umsetzbaren Plan für das Leben mit einem Baby zu bekommen, sondern das Buch mit einem warmen Gefühl zuzuklappen und die große Lust zu verspüren, sein Baby/ seine Kinder zu versorgen, den Tag mit ihnen zu verbringen mit dem Wissen, das darin das Geheimnis des Glücks liegt. Bei den Babys aber auch bei uns Eltern.
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